Die Merklin-Orgel Drucken

 

 

Im Zuge der Neubaupläne für die neue Stadtkirche besichtigten Vertreter der Kirchengemeinde 1825 die neue Orgel in Kehl (Baden), die der Orgelbauer Franz Joseph Merklin aus Oberhausen (Breisgau) erstellt hatte. Im selben Jahr gab die Gemeinde für ihre neu zu erbauende Kirche ein Instrument zu 2150 Gulden in Auftrag, das am 9. Oktober 1827 eingeweiht wurde.


Bei der Abnahme des frisch vollendeten Instrumentes im Oktober 1827 konnten die Prüfer vermerken:


«Das ganze Werk empfiehlt sich durch seine Stärke und durch den angenehmen Ton, besonders lieblich ist der Ton des Sollicionals und der Gambe, welche öfters den vorzüglichsten Meistern nicht so gut gelingen. Dieses Werk macht seinem Meister Ehre, indem man seinen Fleiß, Ge­schicklichkeit und Redlichkeit in demselben allenthalben findet, weßhalb er überall empfohlen zu werden verdient.»

 

Die Orgel wurde in den Jahren 1865 durch Gustav Adolf Merklin und 1867 durch Fridolin Merklin repariert. Um 1900 war die Orgel in einem so schlechten Zustand, dass sie nicht mehr gestimmt wurde und mehrere Register stillgelegt waren. Bei Renovierungen 1904 und 1912 wurden Balganlage und Prospekt verändert. 1917 mussten zudem Pfeifen für Kriegszwecke abgeliefert werden. 1930 wurde das Instrument durch Joseph Zimmermann (Basel) erneut umgebaut und überholt. Dabei wurden auch beide Manuale nach dem Original mit Ebenholz und Bein belegt sowie die heute noch genutzten Registerzüge eingebaut.


Eine Restaurierung mit dem Ziel einer möglichst getreuen Rückführung in den Originalzustand wurde 1976–1978 durch die Firma Georg Friedrich Steinmeyer (Oettingen/Bayern) durchgeführt. Die letzte große Renovierung 2006 nahm Hartwig Späth (March-Hugstetten) vor.


Die Kanderner Orgel ist heute in ganz Baden das einzige und späteste Rückpositivwerk, das noch mit seiner Originaltraktur gespielt wird. Trotz der Eingriffe in früheren Jahren hat die Kanderner Orgel keine einschneidenden klanglichen Veränderungen erfahren müssen. Damit repräsentieren ihre Disposition und ihr Pfeifenwerk in exemplarischer Weise das Klangideal an der Schwelle vom Barock zur Romantik.


Die klangliche Konzeption der Kanderner Orgel lässt sich z.B. an den zahlreichen 8-Fuß-Registern im Hauptwerk ablesen, wie es für die oberrheinische Barockorgel typisch ist. Die solistischen Register Cromhorn und Cornett stammen aus der französischen Tradition, genauso wie die Konzeption des Pedals, das – anders als die klassische norddeutsche Barockorgel – voll ausgebaut ist, dabei zwar nur wenige Register hat, unter denen sich aber mit dem Posaunenbaß eine kräftige Zunge befindet.


Die französischen Einflüsse verweisen auf die spätbarocke Orgelbautradition am Oberrhein, die sich an der Schnittstelle zwischen deutschen und französischen Klangidealen bewegt.


Die Qualität der Kanderner Orgel konnte bis in die heutige Zeit erhalten werden. So schreibt der bekannte Orgelsachverständige und Autor Bernd Sulzmann in seinem Standardwerk «Historische Orgeln in Baden» (1980) über das Kanderner Instrument: «Eine herrliche, einmalige Orgel!»

 

Für eine kurze Hörprobe klicken Sie einfach auf die Orgel.


Eine komplette Aufnahme finden Sie hier.

 

 

 

 

Klangbeispiele und Disposition:


Prinzipalplenum im Hauptwerk

(Principal 8', Octav 4' Quinta 3', Superoctave 2' Mixtur 4f. 2')


8'Flötenchor

(HW: Gedact 8', Sollicional 8', Flautraverse 8', Viola di gamba 8' / RP: Gedact 8' / Koppel HW-RP)

 

Prinzipalplenum im Rückpositiv

(Gedact 8', Principal 4', Superoctave 2', Mixtur 3f. 1')

 

 

Spielhilfen: Koppelzug II/P; Schiebekoppel II/I


Stimmung nach Janke 4 (ungleichstufig wohltemperiert). 1442 Pfeifen (II/22).

 




Hier können Sie durch Anklicken einzelne Register anhören:

 


Hauptwerk

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

Rückpositiv

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pedal

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Merklin-Orgeln

 

Franz Joseph Merklin wurde 1788 in Oberhausen im Breisgau geboren. Nach einer Schreinerlehre wandte er sich dem Orgelbau zu. Seine erste eigene Orgel entstand 1823 in Bischoffingen am Kaiserstuhl. 1832 ließ er sich in Freiburg nieder, von wo aus er bis an sein Lebensende wirkte.


Heute sind noch sechs seiner Orgeln (von ursprünglich mindestens 28) erhalten; die Orgel in Kandern ist dabei das größte noch erhaltene Werk. Weitere erhaltene bedeutende Merklin-Orgeln in der Region stehen in Rheinfelden-Eichsel und in der Alten Kirche St. Michael in Schopfheim.


Sein älterer Sohn Josef Merklin ließ sich u.a. von ihm und von Eberhard Friedrich Walcker ausbilden. 1843 ließ er sich in Brüssel nieder. 1855 besaß er mit seinen zwei Werkstätten in Paris und Brüssel die größte Orgelmanufaktur Europas und zählt heute in Frankreich und Belgien zu den bedeutendsten Orgelbauern des 19. Jahrhunderts.


Auch Franz Joseph Merklins jüngerer Sohn Gustav Adolf versuchte sich als Orgelbauer, allerdings mit nur mäßigem Erfolg.


Die in der Region bekannten gleichnamigen Orgelbauer Fridolin Merklin (1821–1900), dem wir die Orgel in Dossenbach verdanken, und dessen Sohn August Merklin (1860–1940), dem Erbauer der Orgeln in Tegernau und Ötlingen, sind mit Franz Joseph Merklin, dem Erbauer der Kanderner Orgel, trotz Namensgleichheit und familiärer Wurzeln in Oberhausen bzw. Freiburg nicht verwandt.